„Bürgermeister ist ein wunderschönes Amt“
Am gestrigen Sonntag vor 25 Jahren, am 1. Juli 1993, wählte der Saerbecker Gemeinderat einen jungen Verwaltungsbeamten aus Lengerich zum Rathaus-Chef, der damals noch Gemeindedirektor hieß. Ein Vierteljahrhundert später heißt das Amt „Bürgermeister“, aber der Mensch darin immer noch Wilfrie
Herr Roos, können sie sich noch erinnern, was sie waren, bevor sie Chef im Saerbecker Rathaus wurden?
Wilfried Roos: Ja, Bauamtsleiter in Lengerich. Da hatte ich mehr Mitarbeiter als hier im Rathaus. Dann gefiel es der rot-grünen Ratsmehrheit 1992, eine neuen SPD-Stadtdirektor zu wählen und mir einen Technischen Beigeordneten von den Grünen vor die Nase zu setzen. Das habe ich als Aufforderung verstanden mich umzusehen. Die Stelle des Gemeindedirektors in Saerbeck war ausgeschrieben. Meine Bewerbung habe ich am Freitag vor Pfingsten abgegeben. Am Dienstag klingelte das Telefon. Der frühere Lengericher Stadtdirektor war dran und sagte mir: Vergessen sie es, sie sind nicht in der CDU und auch noch evangelisch.
Geklappt hat es offensichtlich trotzdem.
Roos: Beim Vorstellungsgespräch im Hauptausschuss war ich der letzte von vier Kandidaten. Alfons Günnigmann von der CDU verlangte Referate über Finanzen, Schulwesen, Gewerbepolitik und Infrastruktur in kleinen Gemeinden in zehn Minuten. Es wurde immer später, und ich hörte das Stöhnen meines Vorredners. Das Redekonzept habe ich dann in der Tasche gelassen und spontan frei gesprochen. Meiner Frau Ilona habe ich danach gesagt: Die haben gar keine Fragen gestellt, ich weiß nicht, was daraus wird. Am nächsten Morgen klingelte mehrfach mein Telefon und ich wusste dann, dass alle Fraktionen mich wählen wollen. Eine Woche nach der nicht-öffentlichen Sitzung wusste es die Zeitung.
Wie haben Sie und ihre Familie sich in Saerbeck eingefunden?
Roos: Es war günstig, dass ich ein halbes Jahr Vorlauf bis zum Dienstantritt hatte. Mein Vorgänger Josef Kranz hat mich mit offenen Armen empfangen. Ich konnte mich auch vorbereiten, weil seine Sekretärin mit Zeitungsausschnitte nach Lengerich geschickt hat. Und das war eine Menge: Ansiedlung Aldi, Anmietung eines Hauses für Russlanddeutsche, Flüchtlingsunterbringung, Umsiedlung Bauhof, Anbindung des Gewerbegebiets Schulkamp... Mir wurde gesagt, das Josef Kranz große Fußspuren hinterlässt. Aber ich habe versucht, eigene Wege zu gehen, auch weil ich überzeugter Parteiloser bin.
Was gilt mehr: Haben Sie Saerbeck geformt oder Saerbeck Sie?
Roos: Beides! Ich habe versucht, durch meine Arbeit meine Vorstellungen und Überzeugungen aus der Bewerbungsrunde umzusetzen. Ich glaube aber, dass Saerbeck und ich uns gefunden haben. Die Arbeit mit dem Rat hat immer Spaß gemacht. In Lengerich stand der Stadtdirektor mit seiner politischen Fraktion im Mittelpunkt. Ich hatte aber immer eine abgrundtiefe Abneigung dagegen, Informationen aus der Verwaltung nicht allen Fraktionen zugleich zu geben. Als Parteiloser finden meine Fraktionssitzungen im interfraktionellen Arbeitskreis statt.
Bei welchem Anlass war es besonders schön, an der Gemeindespitze zu sein?
Roos: Als die Kommunalverfassung 1994, kurz nach meinem Amtsantritt, geändert und die Position des Gemeindedirektors abgeschafft wurde, hat mich die Zeitung gefragt, ob ich jetzt in Pension gehe. Das wäre für mich das Sicherste gewesen. Ich habe aber erkannt, dass die Zusammenlegung der Ämter von Gemeindedirektor und Bürgermeister auch große Vorteile bietet. Die habe ich schätzen gelernt.
Haben Sie es mal bereut, so lange zu bleiben?
Roos: Nie! Nach den vielen Jahren hat aber meine Familie allmählich den Wunsch, dass die Abendtermine weniger werden.
Zwischendurch wurde Sie schon „El Presidente“ genannt. Was halten Sie von diesem Titel?
Roos: Nach dem Wegfall der Altersgrenze für Bürgermeister war der Aufruf von Dr. Anton Gerdemann wohl zum Teil ernst gemeint: Jetzt kannst du endlich wie ich 41 Jahre Bürgermeister sein.
Der Werbeblock: Warum sollte sich jemand in zwei Jahren dafür interessieren, in Saerbeck neuer Bürgermeister zu werden?
Roos: Ich habe überhaupt keine Absichten, noch einmal anzutreten. Aber Bürgermeister ist ein wunderschönes Amt. Man kann mit Rat und Verwaltung gestalten, Dinge auf den Weg bringen, ohne dass man sich gegenseitig die Köpfe einschlägt. Rückblickend war die Zeit sehr erfüllt. Saerbeck hat sich weiterentwickelt und ich glaube, dass wir uns für die Zukunft gut aufgestellt haben mit Schulen, Infrastruktur, Gewerbe, mit den neuen Feuerwehrhäusern und dem neuen Rathaus und als Klimakommune. Das wird so weitergehen.