Grundlagen - Bürgerbeteiligung und Akzeptanz
Energiekonflikte vermeiden, Gemeinschaftsgefühl schaffen!
Im Bereich der Energiewende liegen die Herausforderungen teilweise auf staatlicher und nationaler Ebene, wenn es zum Beispiel darum geht, Infrastrukturen für die Energiespeicherung und -verteilung bereitzustellen. Andere Elemente sind allerdings mit Verhaltensänderungen durch Verbraucher:innen verbunden. Dies lässt am sich am „Rebound-Effekt“ verdeutlichen: Durch technische Fortschritte konnten die Treibhausgas-Emissionen pro Fahrzeug seit Mitte der 90er Jahre reduziert werden, doch gleichzeitig sind die absoluten Emissionen durch einen Trend hin zu größeren Autos gestiegen. Ein wichtiges Stichwort ist hierbei die „Kollektive Identität“. Personen führen Handlungen eher aus, wenn sie glauben, dass die Gruppe in der Lage ist, durch kollektives Handeln soziale Veränderungen zu erreichen und wenn die Teilnahme an solchen Handlungen mit Vorteilen verbunden ist. Beteiligungsverfahren, in denen sich Bürger:innen gemeinsame Ziele setzen, sich zu geeigneten Maßnahmen verpflichten und auch für die Zielerreichung belohnen (z.B. durch ein Gemeindefest), können hier viel bewirken (s. Michel, 2020):
„Und das ist der Kern des gesamten Projektes, das hier Menschen zusammenarbeiten, die die gleiche Philosophie haben, die das gleiche Ziel haben, die sich gegenseitig unterstützen, gemeinsam dieses Ziel zu erreichen.“
Durch gemeinsame Aktionen wie den Tag der offenen Tür, regelmäßige Energiegespräche oder die im Frühjahr und Sommer 2022 durchgeführten Bürgerdialoge konnte in Saerbeck eine gemeinsame Identifikation sowohl mit dem Vorhaben Klimakommune (Ownership) als auch mit der Funktion der Gemeinde als Vorreiterin (Sense of Place) geschaffen werden. Dies findet sich in vielen Aussagen wieder, die im Rahmen einer durch das IPN durchgeführten Interviewstudie genannt wurden:
„Nicht ne Planung machen und zack stehen da 200m hohe Windräder! Sondern zu sagen: "Liebe Leute ihr könnt euch hier dran auch beteiligen!" Das ist so ein nächster Punkt der Akzeptanzschaffung. Zu sagen, ist nicht ein Windpark, der irgendeinem Zahnarzt aus Hamburg gehört, sondern der gehört den Bürgern.“
„Also das Ganze funktioniert eigentlich nur, wenn man den Bürgen die Angebote macht, daran teilzunehmen. Das ist ganz wesentlich.“
Nichtsdestotrotz lässt sich zumindest für die Stimmung in der Klimakommune zum Zeitpunkt der Untersuchung ein Bild zeichnen, welches von verschiedenen Motiven geprägt ist. Die großen Erfolge der Stromwende, die im Sinne eines Sense of Place stark als Gemeinschaftsprojekt empfunden und mit denen durchaus auch eine individuelle Identifikation im Sinne von Ownership verbunden wird, liegen nun schon eine Weile zurück. Gleichzeitig zeichnet sich für die nun anstehenden Herausforderungen der Wärmewende ein in vielen Aspekten neues Bild. Anders als bei der Realisierung des Bioenergieparks, wo eine „Gemeinschaft der Willigen“, die die notwendigen Investitionsmittel aufgebracht und das Projekt auf den Weg gebracht hat, muss für ein Gelingen der Wärmewende letztlich im Prinzip jede:r Immobilienbesitzer:in erreicht und zu einer Beteiligung motiviert werden. Es sind große private Investitionen gefragt, ohne die während der Stromwende zum Teil recht sicheren finanziellen Gewinne in Aussicht zu haben.
Diesen Herausforderungen steht ein gewisses Ende der „Aufbruchstimmung“ der Energiewende entgegen. Wo Saerbeck zu Beginn oft Vorreiterin war, sind nun andere Gemeinden ähnlich weit bzw. haben in anderen Sektoren schon weitere Maßnahmen auf den Weg gebracht. Die Wärme- und Verkehrswende gestalten sich auf dem Land grundsätzlich schwieriger als in der Stadt, da hier die Wohnräume stärker zersiedelt sind und so für Wärme und Mobilität größere Entfernungen überbrückt werden müssen:
„[…] dass wir eine viel breitere Aufstellung haben müssen und dass von vornherein einfach verankert sein muss, jeder kann was tun, man muss ihm nur sagen, wo er mit kleinen Schritten anfangen kann.“
Letztlich ist aber nach wie vor eine große Motivation bei den Befragten vorhanden, sich auch bei der Wärmewende aktiv mit einzubringen und so die Energiewende in der Klimakommune auch in den Sektoren Wärme und Mobilität zu schaffen. Hierfür wünschen sich die Befragten neben einer weiterhin engen Beteiligung und Transparenz der kommunalen Politik und Verwaltung auch Unterstützung durch nationale und internationale Rahmenbedingungen. Gelingt es so, Klimaschutz und Energiewende als globale Gemeinschaftsprojekte zu vermitteln und eine entsprechende Identifikation im Sinne von Sense of Place und Ownership zu erzeugen, scheint auch in der Klimakommune weiterhin großes Potenzial für den weiteren Weg in Richtung Klimaneutralität zu bestehen:
„Dass ich das hier toll finde, dass es so viele Angebote gibt, wo man sich einbringen kann. Also dass es einfach unterschiedliche Arten und Veranstaltungsweisen aus der Bürger*innensicht hat, wo man sagen kann, man kann sich einfach beteiligen und kann mitmachen.“
Literatur:
Michel, H. (2020). From local to global: The role of knowledge, transfer, and capacity building for successful energy transitions. WZB Discussion Paper SP III 2020-603. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.
Dies sind die Ergebnisse eines durch das BMBF geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojektes zwischen dem IPN Kiel und dem Förderverein Klimakommune Saerbeck e.V. Gegenstand war u.a. die wissenschaftliche Begleitung der Klimakommune in Fragen der Bürgermitwirkung sowie der Identifikation von Wirkungs- und Erfolgsfaktoren.