Grundlagen - Vom Wissen zum Handeln
Die Rolle von Bildung für den Klimaschutz
Immer häufiger geht es in Talkshows, Wahlkampfreden oder öffentlichen Veranstaltungen um den Klimawandel, das Thema ist gesetzt. Und für viele Herausforderungen gibt es inzwischen technische Lösungen. Warum passiert trotzdem so wenig? Die Forschung zeigt: Bislang ist die breite Öffentlichkeit nicht davon überzeugt, dass der Klimawandel eine ernstzunehmende Bedrohung auf individueller Ebene darstellt. Aus diesem Grund spielt Wissen über den Klimawandel eine entscheidende Rolle, insbesondere über (Klima-)Systeme, deren Interaktionen und die eigene Rolle darin. Wissen über regionale Folgen der Klimakrise und räumliche Verteilungsmuster kann zu Verhaltensänderungen und mehr Klimaschutz führen. Bloßes Wissen allein reicht aber nicht aus.
Abbildung 1: Erwartungs-Wert-Modell mit Beispiel (nach Eccles & Wigfield, 2002)
In der pädagogischen Psychologie gibt es verschiedene Erklärungsmodelle, um das motivationale Interesse und das damit verbundene (Umwelt-)Handeln von Personen zu beschreiben. Eines dieser Modelle ist das „Erwartungs-Wert-Modell“, welches beschreibt, dass Entscheidungen auf dem erwarteten Erfolg und dem empfundenen Wert einer Handlung basieren (s. Abbildung 1). Beispiel ÖPNV: Busfahren kann zu einer Einbuße an Bequemlichkeit führen, weil sich etwa die Fahrtzeit verlängert oder man umsteigen muss. Die Nutzung des eigenen PKWs ist für viele bequemer und stellt gleichzeitig nur eine abstrakte Bedrohung dar, weil die Folgen des höheren CO2-Ausstoßes nicht sofort spürbar sind, sondern erst in der Zukunft. Der erwartete Erfolg, durch Verzicht auf das Auto den Klimawandel zu bremsen bzw. persönliche Folgen zu mindern, ist also gering. Zudem hat die Handlung einen negativen Wert für die ausführende Person (ist umständlicher). Dies bietet zwei Einstiegspunkte für einen Weg zu mehr Klimaschutz: Zum einen können klimafreundliche Handlungen im Vergleich bequemer und angenehmer gemacht werden – zum Beispiel durch ein besseres ÖPNV-Netz, Reduzierung des Parkraums in Innenstädten, Geschwindigkeitsbegrenzungen – zum anderen können die Folgen des Klimawandels besser verdeutlicht und „erfahrbar“ gemacht werden.
Erst wenn der Klimawandel auf individueller Ebene als Risiko wahrgenommen wird, können Verhaltensabsichten z. B. bei Energienutzung und Mobilität beeinflusst werden. Laut Bildungsforschung spielt die Ausbildung einer Klimakompetenz (Climate Literacy) eine große Rolle (s. Abbildung 2).
Abbildung 2: Modell zur Förderung und Wirkung von Climate Literacy (nach Harms et al, vor Vorb.)
Hierbei ist zum einen die formale Bildung (also vor allem die Schule) wichtig, die Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen vermitteln soll. Des Weiteren ist die nicht-formale Bildung relevant, die etwa über außerschulische Lernstandorte vermittelt werden kann. Und schließlich trägt die informelle Bildung über Alltagssituationen, wie z. B. Fernsehen oder Radio, zur Entwicklung einer Klimakompetenz bei. Am IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, mit welchem die Klimakommune Saerbeck in verschiedenen Projekten zusammenarbeitet, werden Entwicklung, Förderung und Wirkung von Climate Literacy erforscht. Weitere Informationen zu den laufenden Projekten finden sich in diesem Übersichtsartikel und auf der zugehörigen Homepage.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Handeln von Personen kaum direkt beeinflusst werden kann, ein direktes „Vom Wissen zum Handeln“ gibt es also nicht. Verhaltensänderungen können allerdings indirekt unterstützt werden, z. B. durch Anreize, individuelle Risikowahrnehmung durch die Förderung von Systemdenken und geeignete Beteiligungsverfahren. In Saerbeck unterstützen wir diese Entwicklung durch eine Vielzahl von Bildungsangeboten, zum Beispiel in einem Außerschulischen Lernstandort, durch Aus- und Fortbildung von Lehrkräften oder durch die geplante Akademie. Das damit verfolgte Ziel, das sich auch vielfach in den Antworten der anderen Befragten wiederfindet (s. Abb. 3), fasst ein Saerbecker wie folgt zusammen:
„Dass wir weiterhin bereit sein werden und können, unser Wissen, unser Know-How in die Welt zu transportieren. Mit dem Thema Bildung auch weitreichend mit einer Akademie. Und nicht unser Wissen für uns behalten, das bringt nichts!“
Abbildung 3: Die Rolle von Bildung für die Klimakommune aus Sicht der Befragten der Interviewstudie
Literatur:
Eccles, J. S., & Wigfield, A. (2002). Motivational beliefs, values, and goals. Annual review of psychology, 53, 109–132
Michel, H., Garrecht, C., Leve, K. & Harms, U. (2021). Welche Rolle spielt Bildung für klimafreundliches Handeln? IPN Journal No 8.
Dies sind die Ergebnisse eines durch das BMBF geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojektes zwischen dem IPN Kiel und dem Förderverein Klimakommune Saerbeck e.V. Gegenstand war u.a. die wissenschaftliche Begleitung der Klimakommune in Fragen der Bürgermitwirkung sowie der Identifikation von Wirkungs- und Erfolgsfaktoren.